Veranstaltung »Â§ 15 FAO - Prozessführung nach Aktenlage«
Kurzbeschreibung:
Junge Juristen sind auf den strafprozessualen Alltag kaum ausreichend vorbereitet (Hagiel, Zu den Erwartungen an die "ureigene" Aufgabe von Tatrichter:innen, 2024).
Zielgruppe:
Rechtsanwalt/Rechtsanwältin
Beschreibung:
Dem ist die Ausbildung von "Ermittlungspersonen" überlegen. Die Polizei beherrscht auch die Kriminaltechnik, wo heimliche Ermittlungsmethoden nach §§ 100a StPO oder Polizeirecht längst zum Standard gehören. Das Prinzip der Offenheit staatlichen Handelns scheint vergessen. Der den Rufen der Praktiker folgende Gesetzgeber wandelt sogar die an sich offene Ermittlungsmaßnahme der Beschlagnahme durch § 95a StPO in eine partiell heimliche Methode um. Der Zugriff auf gespeicherte Daten eröffnet eine schier unerschöpfliche Informationsquelle (zur Funzellenabfrage BGH StV 2024, 793 ff.). Die Rechtsprechung behandelt Beweisverbote restriktiv, die an sich das probate Verteidigungsmittel sein könnten (zu abgehörten Gesprächen in der Zelle BGH NJW 2024, 3603 ff.; zu EncroChat bei Cannabis-Handel BGH Urt. v. 30. Januar 2025 - 5 StR 528/24). Nach Abschluss der Ermittlungen besteht ein Aktenbestand mit scheinbar aussagekräftigen Beweisen aufgrund polizeilicher Hypthesen. Die gerichtliche Hauptverhandlung vollzieht diese durch konfirmatorisches Hypothesentesten mit Vorhalten, Selbstleseverfahren (BGH NStZ 2025, 57 ff.), Vernehmung des Ermittlungsführers als Zeuge, Verlesung polizeilicher Ermittlungsberichte nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO und durch die Forderung nach einem wegen Aktenkonformität angeblich glaubhaften Geständnisses als Verständigungsbedingung nach. Dadurch verliert die Justiz weiter an Neutralität und Objektivität (zur ideologisch befangenen Staatsanwältin BGH StV 2025, 157 ff.). Strafverteidiger versuchen der Prozessführung nach Aktenlage u.a. durch Verteidigererklärungen entgegenzuwirken. Die Grenzen zwischen Streng- und Freibeweisverfahren werden zunehmend verwischt (zu dienstlichen Erklärungen BGH NStZ 2025, 61 f.). In allen genannten Bereichen besteht Klärungsbedarf, den die Rechtsprechung allenfalls durch Kurieren an Symptomen eines ökonomisierten Prozesses leistet (zur Vorbereitung des Schlussvortrags BGH StV 2024, 802 ff.; zur Fristsetzung für Beweisanträge BGH StV 2024, 801 f.). Der Vortrag soll den Stand der Rechtsentwicklung im Strafverfahren verdeutlichen und auf Verteidigungsmöglichkeiten hinweisen.
Referent/in:
Veranstalter:
Übersicht
Rechts- gebiet: |
Strafrecht | ||||
Ort: | Hamburg | ||||
Datum: | Donnerstag 20.11.2025 | ||||
Zeitraum | 09:00 bis 14:30 Uhr | ||||
FAO-Stunden: | 5 | ||||
Preis |
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